Welche Formvorschriften gibt es und warum?
Um diese Frage zu beantworten muss man etwas ausholen. Unser Gesetz geht vom „Prinzip der Formfreiheit“ aus. Das heißt, der Bürger hat die privatautonome Entscheidung, wie er seinen Willen äußern möchte. Es dürfte auf der Hand liegen, dass dies zu Problemen führen kann. Wie beweise ich z.B. einen Vertragsschluss? Bei den meisten Angelegenheiten lässt es der Gesetzgeber gleichwohl bei der Formfreiheit und nimmt die Nachteile in Kauf. Wenn er doch einmal eine Form anordnet, dann möchte er etwas Bestimmtes erreichen. Formvorschriften haben also einen Sinn. So möchte der Staat den Bürger bei bestimmten Geschäften schützen und ihm das wirtschaftliche Risiko vor Augen führen, z.B. §§ 766 (Bürgschaft), 780 (Schuldversprechen), 781 (Schuldanerkenntnis) BGB.
Die zweite Funktion ist die Beweisfunktion. Häufig gibt es zum Beispiel ein Schriftformerfordernis (z.B. bei der Kündigung eines Arbeitsvertrages, oder aber die Handschriftlichkeit bei einem eigenhändigen Testament. Ein geschriebener Vertrag ist ein gutes Beweismittel, wohingehend mündliche Verträge höchst problematisch sind. Hier sind die am Telefon geschlossenen Verträge zu nennen. Dort einigen sich die Parteien nur über die Rahmenbedingungen, der Stromversorger und auch der Telekommunikationsanbieter wollen hierbei aber zugleich noch ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen mit vereinbaren, die niemand in dem Gespräch kennt. Dies ist schon höchst problematisch. Die dritte Funktion von Formvorschriften ist die Beratungsfunktion. Wenn diese Funktion im Vordergrund steht ist meist die notarielle Form vorgeschrieben. Bei diesen Verträgen soll der Notar über die Bedeutung des Geschäfts beraten und belehren (§ 17 ff BeurkG, § 24 BnotO).
1. Schriftform:Bei der Schriftform muss der Aussteller der Urkunde eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigtem Handzeichen unterzeichnen (§ 126 I BGB). Hierbei muss das gesamte formbedürftige Rechtsgeschäft in der Urkunde enthalten sein. Besteht die Urkunde aus mehreren Seiten, sind diese zu verbinden. Unterzeichnung bedeutet hierbei, dass unter der Urkunde unterschrieben werden muss. Von der Unterschrift ist nur umfasst, was über der Unterschrift steht. Erstaunlicher Weise unterschreibt man gleichwohl die Steuererklärung auf der ersten Seite. Es gibt also auch anerkannte Ausnahmen. Die Unterschrift muss eigenhändig erfolgen, daraus folgt, dass ein Fax nicht die Schriftform erfüllt, da die Faxkopie eben nur eine Kopie ist und gerade nicht die eigenhändige Unterschrift trägt. Stellvertretung ist möglich. Allerdings reicht ein Fax zur Fristwahrung bei Einreichung von Schriftsätzen bei Gericht.
2. Öffentliche Beglaubigung:
Hierbei wird gemäß § 129 BGB die Echtheit der Unterschrift oder des Handzeichens mittels eines auf der Urkunde gesetzten Vermerks bestätigt. Der Notar prüft also die Identität des Unterschreibenden und bezeugt, dass die Unterschrift in seiner Gegenwart vollzogen oder anerkannt wurde. Bezüglich der unterschriebenen Erklärung bezeugt der Notar aber nichts.
3. Notarielle Beurkundung
Hierbei wird gemäß § 128 BGB auch die Erklärung neben der Unterschrift von einem Notar beurkundet. Der Notar bezeugt also, dass in seiner Gegenwart die beurkundete Erklärung auch abgegeben wurde. Manchmal müssen hier alle Beteiligten der Urkunde zugegen sein (z.B. § 925 Auflassung (Eigentumsübertragung eines Grundstücks), § 1410 BGB (Ehevertrag), § 2276 BGB (Erbvertrag).
4. Besondere Formerfordernisse:
Die Ehe kann z.B. nur vor einem Standesbeamten geschlossen werden, wenn beide Eheschließenden anwesend sind. Ein öffentliches Testament kann durch Übergabe und Erklärung an einen Notar errichtet werden § 2247 BGB.
5. Textform und elektronische Form
Wie eingehend erläutert können die meisten Verträge formfrei geschlossen werden, also auch per Email, Fax oder Internet. Soweit eine Schriftform vorgeschrieben ist, kann man nun auch durch qualifizierte elektronische Signatur seine Unterschrift leisten. der neue Personalausweis sieht diese Funktion zum Beispiel vor (§ 126 a BGB).
Was passiert, wenn man eine Form nicht einhält? Dann ist das Geschäft wegen Formmangels nichtig § 125 BGB. Aber vorsichtig. Vereinbart man eine Form und vereinbart trotzdem etwas mündliches, dann stellt ein Gericht schon mal fest, dass man die Schriftform mündlich abbedungen hat, was dann wieder zu der schwierigen Beweislage führen kann. Auch kann eine mündliche Nebenabrede bei formbedürftigen Verträgen nach Auslegung zu eine vollständigen Nichtigkeit führen, § 139 BGB. Verstöße gegen die Form können aber auch mal geheilt werden. Ein Schenkungsversprechen bedarf zu seiner Form der notariellen Beurkundung. Erfolgt dies nicht, ist das Versprechen nichts wert. Nach Übergabe des Geschenks ist der Formverstoß aber geheilt, da der Gesetzgeber meint, nun bedarf es des Schutzes vor Übereilung nicht mehr, da dem Schenker mit Übergabe des Geschenks der Verlust desselben hinreichend bewusst würde. Formvorschriften sind also ein komplexes Thema und in jedem Fall ernst zu nehmen, da diese bis auf wenige Ausnahmen einzuhalten sind, wenn man eine wirksame Verpflichtung zustande bringen will. Nutzt jemand die Unkenntnis eines andern aus, kann dies aber zu Schadensersatzansprüchen führen, was aber wiederum zu beweisen wäre.
Ihr Anwalt kennt üblicher Weise die Formerfordernisse. Lassen Sie sich also beraten. Führen Sie keinen Prozess selbst. Das geht in der Regel schief, da Sie die Formvorschriften eines Prozesses, die Prozessordnung nicht kennen. Die Chance, dass Sie den Prozess verlieren, weil Sie die Prozessordnung nicht kennen, ist hoch, selbst wenn Sie eigentlich im Recht sind. Sie würden sich vermutlich auch nicht selbst operieren. Lassen Sie sich auch nicht von Ihrer Versicherung, Ihrer Bank oder Ihrer Kfz-Werkstatt beraten. Diese verfolgen alle stets eigene wirtschaftliche Interessen.
Ihre Interessen vertritt nur derjenige, den Sie selbst bezahlen und dies ist Ihr Anwalt.
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